Der Neoliberalismus hat sich die Idee der Persönlichkeitsentwicklung angeeignet und sie auf einen extremen Individualismus reduziert. Er verspricht fälschlicherweise, dass alle davon profitieren, wenn sich jede:r einzelne ausschließlich um sich selbst kümmert und die volle Verantwortung für das eigene Leben übernimmt.

Konzepte wie Growth Mindset oder Achtsamkeit haben ihren Wert, werden allerdings oft durch die Linse des Ultrakonsumismus verzerrt, in oberflächlichen Ratgebern verwässert und landen dann als Punkt auf einer Liste. Dabei wird übersehen, dass persönliche Entwicklung immer in Bezug auf andere stattfindet und nicht isoliert funktionieren kann: Uns allen ginge es viel besser, wenn jede:r die proklamierten Tugenden wirklich praktizieren würde.

Die Vorstellung, dass die Welt allein durch die Anstrengungen von Einzelpersonen verbessert werden könne, ignoriert schließlich die Realität institutioneller Strukturen und Machtverhältnisse. Nicht jede:r hat die gleichen Möglichkeiten, etwas zu bewegen. Erst wenn sich Menschen zu einer Bewegung zusammenschließen und gemeinsam Einfluss aufbauen, können sie wirklich etwas verändern.

Auch diverse spirituelle und religiöse Gemeinschaften und Selbsthilfegruppen tragen mit ihrem Fokus auf das Individuum zu dieser Fehlentwicklung bei. Selbst christliche Religionen, die im Kern bereits stark individualistisch geprägt sind, könnten auf diese Betonung des Einzelnen einfach verzichten.

Die Herausforderungen unserer Zeit erfordern kollektives Handeln und ein Bewusstsein für die komplexen Zusammenhänge zwischen individuellem Verhalten und gesellschaftlichen Strukturen. Nur wenn wir erkennen, dass wir Teil eines größeren Ganzen sind und unsere Verantwortung füreinander wahrnehmen, können wir echte Veränderungen bewirken.