Streaming-Dienste gewinnen immer mehr an Bedeutung, und so sehen sich Showrunner:innen mit einer neuen Herausforderung konfrontiert: Die Aufmerksamkeit der Zuschauer:innen zu fesseln, während diese gleichzeitig von ihren Smartphones abgelenkt werden. Streaming-Anbieter fordern von den Serienmacher:innen, ihre Geschichten so zu gestalten, dass sie auch bei „geteilter Aufmerksamkeit“ verständlich bleiben.

Diese Entwicklung hat weitreichende Konsequenzen für die Erzählkunst. Komplexe Handlungsstränge und subtile Nuancen müssen vereinfacht werden, um sicherzustellen, dass auch abgelenkte Zuschauer:innen den roten Faden nicht verlieren. Wichtige Plotdetails werden wiederholt, damit sie trotz Untertiteln und Nebenbeschäftigungen nicht übersehen werden. Die Kunst des Geschichtenerzählens passt sich den veränderten Sehgewohnheiten an.

Doch zu welchem Preis? Die Anpassung an das Second Screening könnte langfristig zu einer Verflachung der erzählerischen Tiefe führen. Wenn selbst aufwendig produzierte Serien mit den Ablenkungen sozialer Medien konkurrieren müssen, besteht die Gefahr, dass künstlerische Visionen auf der Strecke bleiben. Es stellt sich die Frage, ob wir bereit sind, die Qualität unserer Unterhaltung zugunsten einer oberflächlichen Kompatibilität mit unserer geteilten Aufmerksamkeit zu opfern.

Die schleichende Erosion des aufmerksamen Sehens sollte uns nachdenklich stimmen. Vielleicht ist es an der Zeit, bewusst gegenzusteuern und uns wieder darauf zu besinnen, wie bereichernd es sein kann, sich uneingeschränkt auf eine Geschichte einzulassen. Nur so können wir die Kraft und Komplexität großartiger Erzählungen wirklich würdigen und die Kunst des Geschichtenerzählens in all ihren Facetten erleben.