Unsere Computersysteme ähneln in vielerlei Hinsicht unseren Städten: Sie sind im Laufe der Zeit gewachsen, ohne übergreifenden Plan, oft auf den Ruinen des Vorhandenen. Dieser Vergleich der Softwareentwicklerin Ellen Ullman offenbart eine faszinierende Parallele zwischen der physischen und der digitalen Welt:

Wie Städte haben sich auch Computersysteme Schicht um Schicht entwickelt, wobei jede Epoche ihre eigenen Technologien, Paradigmen und Moden mit sich brachte. Das Ergebnis ist ein komplexes Geflecht aus Alt und Neu, das nicht immer harmonisch zusammenspielt. Altsysteme und moderne Anwendungen müssen irgendwie unter einen Hut gebracht werden. Eine Herausforderung, die alle kennen, die schon einmal versucht haben, eine historische Altstadt an die Anforderungen des 21. Jahrhunderts anzupassen.

Doch während wir bei Städten die gewachsenen Strukturen für ihren Charme und ihre Identität schätzen, sehen wir sie bei Software oft als Problem. Wir wünschen uns wohlgeordnete, elegante Systeme, vergessen aber, dass auch diese irgendwann zu den Ruinen von morgen werden. Vielleicht ist es an der Zeit, unsere Erwartungen an Software zu überdenken und zu erkennen, dass Perfektion auch in der digitalen Welt eine Illusion ist.

In gewissem Sinne spiegeln unsere Computersysteme uns selbst wider: unsere Kreativität und Innovationskraft, aber auch unsere Inkonsequenz und Kompromissbereitschaft. Sie sind Zeugnisse unserer Entwicklung als Spezies, mit all ihren Höhen und Tiefen. Wenn wir verstehen, wie sich unsere Systeme entwickelt haben, verstehen wir in gewisser Weise auch uns selbst.